Wer hätte je gedacht, dass das Handeln mit Vermögenswerten und der Zenbuddhismus was gemeinsam haben könnten? Dabei gibt es wohl kaum einen Geist, der die Lehren besser verstehen kann als der eines Langzeitinvestors in einem hochvolatilen Markt.
Die Lehren des Zen
Der Zenbuddhismus ist die Lehre des Nichts, der totalen Gleichgültigkeit von Ereignissen bzw. Reizen, die der Geist wahrnimmt. Es gibt kein Gut oder Böse, kein Warm oder Kalt, kein Hell oder Dunkel, nichts. Ziel ist es in der Meditationsphase jeglichem Versuch des Geistes, materielle Dinge zu erfassen oder zu beurteilen, auszuweichen. Es gibt eine viel zitierte Geschichte, die die Sinnlosigkeit des menschlichen Urteilens aufzeigt.
Man wird sehen
Ein Bauer hatte ein Pferd, aber eines Tages lief es fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!” Aber der Bauer antwortete: “Man wird sehen”.
Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. “So viel Glück!” riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte: “Man wird sehen”.
Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, die wilden Pferde einzureiten, aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder: “Man wird sehen”.
Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: “Was für ein Glück, dass dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!” freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: “Man wird sehen”.
Bedeutung
Der Autor der Geschichte will uns sagen, dass man nichts erwarten soll, weder mit Freude noch mit Leid auf ein Ereignis reagieren soll, um somit den inneren Frieden zu finden. In einer Welt, in der sich die Beurteilung der Kausalkette eh ständig invertiert, sind aktuelle Urteile und resultierende Gefühle unnötig.
Zen und Investieren – Bitcoin Kurs
Jeder, der sich in volatilen Märkten bewegt und längerfristig in Vermögenswerte investiert, kann sich wahrscheinlich mit der Zen Geschichte, “Man wird sehen”, identifizieren. Man investiert in einen Vermögenswert, der Kurs sinkt während andere Vermögenswerte steigen. Man wird nervös und Zweifel kommen auf. Unter Druck beschließt man das Investment in einen anderen Vermögenswert zu tauschen. Eine Woche später schießt der Alte in die Höhe und so weiter und so fort.
Investoren, die schon länger in volatilen Märkten wie dem Kryptomarkt unterwegs sind, lassen sich von den kräftigen Kursschwankungen weniger beeindrucken, während die Neueinsteiger die sozialen Medien im Bullenmarkt mit Moon- und Lamboposts und im Bärenmarkt mit Angst und Kummer vollpflastern.
Jene, die mehrere Marktzyklen schon als treue Hodler miterlebten, scheinen gelernt zu haben, dass es keinen Sinn ergibt vorschnell zu urteilen. Somit haben sie Zen praktiziert, ohne vielleicht jemals davon gehört zu haben.
Eine hohe Volatilität deutet allerdings darauf hin, dass wenige Rücksicht auf die Lehren des Zen nehmen. Der Preis ist nichts anderes als ein kollektives Urteil von Ereignissen, oft der Preisentwicklung selbst. So scheinen Märkte wie der Kryptomarkt gute Übungsplätze für Lernende zu sein, aber werden wohl nie von Meistern dominiert werden.
Ist es nun gut, wenn die Infrastruktur für institutionelle Investoren den Kryptomarkt bereitsteht, wenn Lightning einwandfrei funktioniert, wenn China den Handel verbietet, wenn Bitcoin als Weltleitwährung fungiert? Man wird sehen.
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